Catharina Freuis
Symphony
14.01.2015 - 21.03.2015Symphony
Arbeit in 3 Werkgruppen
Symphony heißt Catharina Freuis’ aktueller Werkzyklus, der aus den Werkgruppen Satz, Thema und Motiv besteht.
Die 1985 in Wien geborene Künstlerin hat an der Universität für angewandte Kunst bildende und mediale Kunst studiert und arbeitet seit ihrem Abschluss im Januar 2011 als freischaffende Künstlerin und als Mitglied der Fotogalerie in Wien.
Gemein ist Freuis’ Arbeiten, dass sie sich sowohl aus plastisch gestalteten als auch fotografischen Anteilen zusammensetzen. In Miniatur erstellt die Künstlerin realitätsgetreue Modelle, denen als Inspirationsquelle keine direkten Referenten zugrunde liegen, sondern eine Vielzahl an Erinnerungsbildern – zu privaten, halb- öffentlichen, öffentlichen oder institutionell genutzten Räumen.
Es entstehen Raum-Konstruktionen und – Simulationen.
Modelle, so Freuis, stellen für sie eine auf die Spitze getriebene Selektion dar, eine künstlich geschaffene, stereotype, (weil beabsichtigt) wieder erkennbare Welt. Eine Art Bühne auf welcher architektonischen und sozialen Strukturen nachgegangen wird und deren Bestandteile am Wissen und den Erfahrungen der Betrachtenden ansetzen und sie damit konkret ansprechen.
Der Einsatz des Mediums Fotografie soll zum einen die Modelle realistisch „tarnen“. Da Fotografie eine Repräsentationsfunktion zugeschrieben wird, erfolgt über die „Umwandlung“ in selbige für die Betrachtenden eine Legitimation des Abgebildeten als Wirklichkeit. Als weiteres sieht die Künstlerin Fotografie per se als Modell der Wirklichkeit an und möchte deren Künstlichkeit vor Augen führen.
Es sind auch medienreflexive Fragen, welche die Grundlage ihrer künstlerischen Auseinandersetzung bilden. Fragen, wie stark beispielsweise die Darstellung von Raum reduziert werden kann, um ihn noch als solchen wahrzunehmen? In welche Grenzen er somit als dreidimensional erkannt und interpretiert werden kann?
In ihrer neuesten Arbeit wählt Freuis ihren bislang stärksten Weg der Abstraktion. Während eines dreimonatigen Atelier-Aufenthaltes in New York City sind es die Eindrücke der „riesigen Häuserfronten“ und die Beschäftigung mit Musiktheorie, insbesondere mit musikalischer Formenlehre, die zu Inspirationsquellen und Ausgangspunkten ihres künstlerischen Schaffens werden.
Vier Sätze der 25. Sinfonie von Mozart analysiert die Künstlerin auf unterschiedliche Parameter wie Rhythmus, Tempo, Tonart, Lautstärke, Charakter, Geschwindigkeit und Länge, vergleicht sie mit rationalen Zahlenverhältnissen und setzt sie in der ersten Werkgruppe ‚Satz’ in räumliche Darstellungen um. Benannt sind die vier Bilder mit dem jeweiligen Tempo des Satzes ‚Allegro con brio’, ‚Andante’, ‚ Menuetto’ und ‚Allegro’.
Bei ihrer Übertragung wird zum Beispiel die Lautstärke zum Äquivalent der Tiefe der Räume, das Tempo mit der seitlichen Verschwenkung des Raumes gleichgesetzt, usw. Ein Musiker, der mit Catharina Freuis Parametern vertraut wäre, könnte den Bildern demnach Teile der Sinfonie entlocken.
Mit der Kamera hat die Künstlerin bei der Werkgruppe ‚Satz’ eine distanzschaffende Position eingenommen, von welcher die Betrachtenden in das Innenleben von vier unterschiedlichen Wohnblöcken zu schauen scheinen. Einem Rohbau gleich, in welchem einzelne Kammern, Stockwerke, Wohnräume rudimentär angelegt sind. Fast schon wabenartige Kammern, die in einer Strenge, Klarheit und geometrischen Auflösung umgesetzt werden, die sich alle voneinander unterscheiden und bei denen es höchstens Ähnlichkeiten gibt. Raumfluchten, die auch als geometrisches Zeichen/Zeichnung wahrgenommen werden können.
Es zeigt sich, wie auch in allen anderen Arbeiten von Freuis, eine klare Abwesenheit von Menschen. Die starke Reduktion und Abstraktion der leeren Raumfluchten, können nach Schumacher in ihrer „schon fast zurückwei- sende Neutralität des leeren Raumes“ als eine Aufforderung hinzusehen, zu reflektieren und nach Vertrautem zu suchen, verstanden werden. (Schumacher, zitiert nach Freuis, Raum-Konstruktionen, S.34)
In der zweiten Werkgruppe ‚Thema’ tritt die Künstlerin der Sinfonie in ihrer Analyse und Umsetzung ein Stück näher. Wir sehen vier Raumfluchten, mit identer Perspektive / identem Kamerastandpunkt, aber unterschiedlicher Raumausstattung, die Wahl der Beleuchtung, die Farbigkeit der Wände, des Bodens usw. betreffend. In Bezug auf den Variationsreichtum der zuvor beschriebenen Werkgruppe ‚Satz’, in welcher keine Kammer einander gleicht, können die vier Fotografien als Varianten ein und desselben Raums gelesen werden und im übertragenem Sinn somit als Variation eines Themas. In der Musiktheorie findet dies seine Entsprechung in der wiederholten aber abgeänderten Wiedergabe des Themas, welches sich in Freuis künstlerischer Umsetzung in unterschiedlicher “Bespielung“ zeigt.
Zwölf kleinformatige Fotografien bilden den dritten Teil des Werkzyklus, das ‚Motiv’, und - musiktheoretisch ausgedrückt- die kleinste Einheit des Stücks. In Aufnahmen von hellen Räumen, aufgenommen mit unterschiedlichen Winkeln und Perspektiven, sind weiße Stühle und Tische verschiedener Anzahl und Ausführung angeordnet. Die Art der gebauten Modellelemente, ihre Anordnung im Raum und zueinander, als auch die Wahl der Perspektive erzeugen spezifische Szenerien, die grundverschieden sind.
Es ist erstaunlich, mit wie wenig Interieur - reduziert in Form und Farbe- und trotz oder gerade wegen welchem Verzichts auf weitere Einrichtungsgegenstände die Szenerien so klar zugeordnet werden können. Deutlich zeigt sich, dass Freuis den relativen Raumbegriff nach Löw vertritt, bei welchem Raum erst durch die Anordnung von Körpern, die in Relation zueinander stehen, geformt wird. „Er muss also als Prozess verstanden werden und wird erst durch Handeln, also dem Platzieren von Körpern und Gegenständen und deren Verknüpfung durch Denk- und Wahrnehmungsprozesse, gebildet. (Löw, zitiert nach Freuis, Raum-Konstruktionen, S.16)
Bewusst wurde in den Werkgruppen ‚Thema’ und ‚Motiv’ auf Titel zum jeweiligen Bild verzichtet und somit auch keine fixe Zuschreibung der Räume vorgegeben. Stattdessen wird es den Betrachtenden überlassen die Arrangements und mit ihnen verbundene Regeln und Gewohnheiten für sich selbst zu erkennen.
Catharina Freuis nähert sich in ihrer persönlichen Umsetzung der 25. Sinfonie langsam an. Hierbei fungieren die drei Werkgruppen wie ein immer stärkeres Hineinzoomen, bzw. ins Detail gehen. Es sind keine realen Räume, aber in Bezug zu realen Räumen erdachte und konstruierte, die anhand von typischen Details und Elementen erkannt werden. Wir, die Betrachtenden, füllen die in den Bildern enthaltenen Leerstellen und stark reduzierten Darstellungen mit dem, was wir in privaten, halb-öffentlichen, öffentlichen oder institutionell genutzten Räumen erfahren haben. Wir füllen sie auch mit den Dingen, die Catharina Freuis uns an anderer Stelle in ihren Arbeiten bewusst aufzeigt.
Johanna Folkmann
Quellen: Freuis, Catharina, Raum-Konstruktionen, Diplomarbeit, 2011