Christian Nowak
space-time symphonies
16.01.2013 - 16.03.2013space-time symphonies
'Space and duration are one' (E. A. Poe, Eureka 1848)
Verstehen wir 'abbildende' Kunst als eine Form künstlerischer Betätigung, die auf ihre Umwelt abbildend, das heißt zugleich formend, abstrahierend aber auch entsprechend, Bezug nimmt, so fällt Fotografie eindeutig in diese Kategorie.
- Sie ist 'formend' in dem Sinne, dass sie ein herzeigbares, haptisch und visuell begreifbares Artefakt herstellt, das sich in seiner Form einem Betrachter stellt.
- Sie ist 'abstrahierend' in dem Sinne, dass sie die gesamte Information eines physikalischen Sachverhalts nur abgeleitet und unter Informationsverlust wiedergeben kann.
- Sie ist schließlich 'entsprechend' dadurch, dass grundlegende Beziehungsverhältnisse ( - beispielsweise räumlich lineare Anordnungen -) zwischen abzubildenden Sachverhalten im Foto erhalten bleiben.
Eine mögliche Betrachtungsweise des fotografischen Vorgangs ist es, das Foto als Abbild eines Schnittes durch das Raum-Zeit Kontinuum zu verstehen. Unter 'Space-Time-Continuum' wird dabei jedes Bezugssystem verstanden, in dem sich neben den landläufig drei räumlichen Koordinaten (Breite, Höhe, Tiefe) auch eine zeitlichen Koordinate findet. Ein abzubildender physikalischer Sachverhalt ist in einem solchen Koordinatensystem somit räumlich und auch zeitlich verortet, und zwar in (mindestens) 4 Dimensionen.
Das Foto als 'Abbild' ist nach dem oben Gesagten unausweichlich einer Abstraktion ausgesetzt. Eine der Kernabstraktionen ist die Projektion der Raum-Zeit-Dimensionen auf (im allgemeinen) 2 Bilddimensionen. Durch diese Projektion werden gewissermaßen Dimensionen zum Verschwinden gebracht. Hierbei ist die Wahl der Lage des Schnittes durch die Raum-Zeit der zentrale, das Wesen der abstrahierenden Abbildungen bestimmende Aspekt.
Klassische Fotografie arbeitet im allgemeinen mit einem Schnitt durch die Raum-Zeit, der 'orthogonal' zur Zeitdimension steht. Die Zeit wird in der Projektion somit punktförmig abgebildet. Praktisch bedeutet das, dass ein Abbild zu einem=gleichen Zeitpunkt (bzw. im vernachlässigbar kleinen Zeitintervall der Belichtungszeit) erstellt wird, das Foto 'friert' die Situation zum Aufnahmezeitpunkt ein. Alle Punkte des Bildes entsprechen üblicherweise (wenn auch wegen relativistischer und technischer Effekte nur annähernd) einer Gleichzeitigkeit des abgebildeten Ursprungsobjektes.
Diese Sichtweise entspricht weitgehend auch unserem Erlebten, bei dem der 'Augenblick' eine ebensolche 'Orthogonalisierung' zur Zeitachse aufweist, und vermutlich trägt dieser Umstand wesentlich zur populären Akzeptanz und Rezeption des fotografischen Bildes bei.
Die Frage liegt nahe, ob diese zeit-orthogonale Lages des Schnittes durch die Raumzeit eine beschränkende Rahmenbedingung der Fotografie ist: Tatsächlich besteht eines solche Einschränkung nicht. Fotografische Schnitte durch das Raum-Zeit-Kontinuum können auch in anderen nicht-orthogonalen Lagen bezogen auf die Zeitachse des Kontinuums gezogen werden. Arbeitet man klassisch mit mechanisch / optischen Mitteln, so sind diese Schnitte zwar nicht völlig beliebig ausführbar: Beschränkungen ergeben sich zum einen aus der Physis der verwendeten Mittel, andererseits aus der Tatsache, dass Zeit während jedes solchen fotografischen Vorganges 'vergeht', also eine 'vorgegebene Richtung' aufweist.
Die in der vorliegenden Ausstellung gezeigten Arbeiten von Christian Nowak sind ein erstes 'Herantasten' an die erweiterten Möglichkeiten der Fotografie, die sich aus Schnitten parallel oder schräg zur Zeitachse des Kontinuums ergeben. Anders als in der klassischen Fotografie werden in diesen Projektionen der Raumzeit Abbilder von Sachverhalten zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf einem Bild zusammengefasst. Die Bilder zeigen Objekte im Zeitverlauf. Der Gewinn an Zeitinformation wird durch einen Verlust an Rauminformation abgegolten, es entstehen Abbildungen von eigener Ästhetik, mit noch Erkennbarem aber doch deutlicher Verfremdung.